Spannende Lesung und rege Diskussion gestern an unserem Clubabend. Dr. Susanne Kaiser las aus ihrem neuesten Buch "Backlash". Die These: Die zunehmende Repatriarchisierung unserer Gesellschaft ist eine Reaktion auf die zunehmende Gleichberechtigung.Privat, digital politisch - die Formen der Gewalt sind nicht neu, doch sie richtet sich heute deshalt gegen die Frau weil sich die Männer in ihrer Vorherrschaft bedroht sehen.
Die Autorin liest aus drei Kapiteln des Buches vor, in denen Sie die Themen „Feministisches Paradox", einen konkreten Fall der häuslichen Gewalt und ihre Eindrücke eines Besuchs in einem Frauenhauses anspricht.
Das „feministische Paradox" beschreibt eine Entwicklung, bei der zu beobachten ist, dass der feministische Fortschritt der letzten Jahrzehnte mit einer wachsender männlicher Gewalt einhergeht. In Bezug auf häusliche Gewalt stehen neben Frauen aus einem sozial schwachen Umfeld inzwischen auch Akademikerinnen im Fokus. Die Tatsache, dass gut ausgebildete Frauen mit ihren Männern gesellschaftlich und wirtschaftlich auf Augenhöhe oder in ihrem Status sogar über ihnen stehen, sieht die Autorin als möglichen „Trigger" einer verletzten Männlichkeit. Männer empfinden die Gleichstellung der Geschlechter zuhause häufig als Be- drohung, auch wenn sie sich nach außen feministisch geben.
Zudem sind vor allem in sozialen Medien zunehmend extreme Männlichkeitsbilder zu finden, die u.a. im so genannten „Alpha-Rap" oder auch auf Tiktok gegen den Aufstieg der Frauen aufrufen und Gewaltphantasien gegen Frauen ganz offen aussprechen. Gleichberech- tigung soll mit Gewalt zurückgesetzt werden. Diese extremen Bilder sind in den letzten Jah- ren aus dem Darknet in den Mainstream übergeschwappt, um dort für immer mehr Auf- merksamkeit und „Klicks" zu sorgen. Um diesen Strömungen entgegenzuwirken, sind aus Sicht der Autorin vor allem Medienkompetenz und -regulierung gefragt. Auch die Politik müsse stärker einwirken, wie zum Beispiel in Spanien, dessen Gesetze gegen Frauendiskrimi- nierung Susanne Kaiser als positives Beispiel nennt.
Als Beispiel der häuslichen Gewalt im Akademikerumfeld beschreibt die Autorin den Fall einer Medizinerin, die mit ihrem Partner im Laufe der Zeit in einer zunehmend ambiva- lenten Beziehung lebt: beruflich sind bei beide auf Augenhöhe, während der Mann die Frau zuhause immer mehr in die Rolle der Hausfrau drängt. Seine Manipulationen beginnen lang- sam und enden schließlich in gewalttätigen Ausbrüchen. Häufig sind Frauen aus diesem Um- feld besonders befangen, mit ihrer Situation nach außen zu treten, weil sie sich schämen und die Fassade „der heilen Welt" aufrecht erhalten möchten.
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Im Leseauszug aus einem weiteren Kapitel beschreibt Susanne Kaiser ihre Eindrücke aus einem Frauenhaus. Wie „eingefroren" hat sie die Atmosphäre empfunden, Kinder und Frauen verhalten sich vor Ort sehr ruhig, fast regungslos. Die Frauen leben in diesem Mo- ment in ständiger Angst vor weiteren Bedrohungen und sind auf der Flucht. In dieser Phase sind sie im Grunde nur damit beschäftigt, zu überleben und sich und ihre Kinder etwas zur Ruhe zu bringen.
Susanne Kaiser spricht von einer Form der „politischen Gewalt", da den Frauen in diesen Situationen nicht genug Gehör geschenkt wird und die Gesetzeslage nicht ausreichend zum Schutz der Frauen beiträgt. Zwar erfolgt die „Täterarbeit" in einigen Bundesländern (z.B. Ba- den-Württemberg) bereits recht erfolgreich, in anderen Regionen müsse jedoch noch weitaus mehr geleistet werden. Insgesamt sieht Susanne Kaiser den Staat dazu verpflichtet, deutlich mehr Angebote für Frauen auszubauen (Frauenhäuser, Beratungen usw.) und auch Bildungs- angebote und eine damit verbundene stärkere Sensibilisierung für betroffene Ämter (Polizei, Krankenhäuser, Schulen) zu schaffen. Uns alle ruft sie dazu auf, diese Debatte weiter anzure- gen und dieses wichtige Thema in die Gesellschaft zu tragen.